Vormittag

In einer offenen Architektur befinden sich 24 Figuren (je Raumteil 8 Figuren), die als Spielteilnehmer eines Spieles ohne Gewinner oder Verlierer allesamt gegeneinander austauschbar sind. Was wie ein jeweils neu gestalteter Unfall im System aussieht, macht den Zusammenhalt der einzelnen Positionen aus. Das System der Einzelheiten funktioniert dabei nicht durch konkrete Bestimmungen von erkennbaren, symbolhaften Gegenständen (nach dem Motto: Zitrone bedeutet Augenschmerzen), sondern durch die allgemeine Leere des Rahmens, in dem sie erscheinen. Der Rahmen beschränkt das Sagbare auf die möglichen Beziehungen unter den erkennbaren Dingen, z.B: Wenn der Kopf im Topf Enge heißt, dann könnte die zugehörige Schlinge um den Hals Eingang und Ausgang zugleich heißen, –was wiederum Konsequenzen für die Taube auf dem Flaschentrockner haben kann. Weil das Individuum zwischen den widerstandslos fließenden Bedeutungen aufgelöst ist, kann jede denkbare Geschichte Realität beschreiben oder auch nicht, –ohne dadurch in Widerspruch zur Logik ihres Ablaufs zu geraten.

Der zwanghafte Relativismus unter den oberflächlich eingeschlossenen Dingen hat seinen Maßstab in der angesammelten Information eines von Augenblick zu Augenblick unterschiedlichen Wissensstandes, den ein denkbarer Betrachter – der unmöglich Außenstehende– besitzt. Der Grund, aus dem heraus sich ein Bezug lösen kann, bildet damit nicht eine wesentliche Einheit oder Substanz, sondern er macht lediglich die maximale Zersplitterung eines unvermeidlichen Weges aus. Die Konstruktion des Wirklichen in einem Bild benötigt keine Instanz mehr, die hinter die Illusion der fixierten Momente führen könnte oder müßte, so daß der überflüssige Architekt spricht: Wo kein Schlüssel fehlt, fehlt auch kein Schloß.

vorm Vorstufe Der Chronist des Architekten beharrt hingegen auf seiner anti-utopischen Attitüde: Das Medium der Malerei, in dem sich die historischen Verwicklungen am dichtesten verfolgen lassen, die bis zu den heutigen Möglichkeiten und Grenzen des Bildes führen, soll nur als Mittel, nicht als Zweck erscheinen. Der bloße Selbstbezug, der in der klassischen und späten Moderne als das höchste Merkmal einer bewußten und integren Redeweise angesehen wurde, kann nicht mehr greifen. Es ist heute nicht nur möglich, sondern auch notwendig, die Malerei (wie andere Medien auch) aus ihrem Zwang zur Nabelschau herauszuführen, auch wenn damit ihr Anspruch Kunst zu sein, vergessen werden darf.


Texte ohne Verben, Köln 2002, S. 153